Bei dem Grundstück handelt es sich um eine entwässerte, relativ
stark genutzte Futterwiese im Flachmoorbereich des "Willinger
Weitmooses".
Die Fläche liegt nahe dem Autobahnanschluss Bad Aibling, zwischen der A8
und der Staatsstraße 2089 in Richtung Pullach. Sie ist in etwa so
groß wie Berbling.
Die im Norden und Westen anschließende weite von kleinen Wäldchen
durchsetzte reizvolle Wiesenlandschaft erweckt noch immer, trotz der
stellenweise krassen landwirtschaftlichen Übernutzung (Maisanbau auf
Niedermoorstandorten), den Eindruck einer parkähnlichen fast
ungestörten bäuerlichen Kulturlandschaft. Zahlreiche das Weitmoos
durchziehenden Gräben zeigen noch die moortypischen Gehölze,
Röhricht- und Staudengesellschaften.
Das "Willinger Weitmoos" ist als Teil des Landschaftszuges altbayerischer Kulturlandschaft zu betrachten, der sich erstreckt aus dem Inntal über Brannenburg, Litzeldorf, Bad Feilnbach, Au, Dettendorf und Berbling ins Mangfalltal. Hier gilt es die besondere Schönheit der Voralpenlandschaft zu schützen und zu fördern. Neben den Seen und dem herrlichen Bergpanorama sind es auch die Moor- und Mooslandschaften und die traditionelle bäuerliche Landwirtschaft, die jährlich zig Millionen Erholungssuchende in unsere Ferienlandschaft locken.
Für viele Aiblinger gilt: "Wir wohnen da, wo andere Urlaub
machen!"
So haben in diesem Gebiet eben auch nach dem Regionalplan (RP)
Südostoberbayern Erholung und Fremdenverkehr Vorrang vor allen anderen
Nutzungsansprüchen, die Belange von Natur und Landschaft bekommen
besonderes Gewicht (siehe auch unten).
Alle Gesetzes- und Planungsvorgaben widersprechen eindeutig jeder Bebauung im Weitmoos:
Bayerisches Naturschutzgesetz, Art. 13 d 1:
Moore gehören zu den besonders wertvollen Biotopen; Maßnahmen, die
zu einer Zerstörung oder sonstigen erheblichen oder nachhaltigen
Beeinträchtigung führen sind unzulässig.
Landesentwicklungsprogramm (LEP) Bayern:
Die Zielvorgaben fordern die Verhinderung der weiteren Landschaftszersiedelung,
bodensparende Formen der gewerblichen Entwicklung sowie verstärkte
Anstrengungen beim Landschaftsschutz.
Nach LEP B II 1.7 werden Moore als besonders schützenswerte
Landschaftsteile eingestuft, die von Bebauung grundsätzlich freizuhalten
sind.
Regionalplan (RP) der Region Südostoberbayern
(18):
Fachliche Ziele Natur und Landschaft: Die traditionellen bäuerlichen
Kultur- und Siedlungslandschaften sollen erhalten bleiben; dabei soll die land-
und forstwirtschaftliche Bodennutzung weiterhin gesichert werden ... Bei
konkurrierenden Nutzungsansprüchen soll - vor allem im Alpenraum und im
Alpenvorland - auf eine Nutzung hingewirkt werden, die mit der Empfindlichkeit
des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes am besten in Einklang steht ...
auf extensive Streuwiesennutzung soll zur Erhaltung der Vegetationsvielfalt
hingewirkt werden ... Die naturnahen Moore mit ihren Randbereichen sollen in
ihrem Bestand und in ihrer Funktionsfähigkeit erhalten bleiben. Dabei
sollen grundsätzlich keine weiteren Entwässerungen durchgeführt
werden ... Abgetorfte und entwässerte Moore sollen sich in einen
möglichst gleichwertigen naturnahen Zustand entwickeln können.
Fachliche Ziele gewerbliche Wirtschaft: Größere Industrie- und
Gewerbegebiete sollen - soweit Bedarf vorhanden - schwerpunktmäßig
in den zentralen Orten ... Rosenheim, Kolbermoor, Bruckmühl,
Feldkirchen-Westerham, Raubling, Wasserburg, ... bereitgestellt werden. ... In
Bad Aibling soll die Kurbadfunktion ergänzt und weiterentwickelt werden.
In den Nahbereichen Kolbermoor, Bruckmühl und Feldkirch-Westerham sollen
Industrie und Gewerbe ausgebaut werden. Im möglichen Mittelzentrum Bad
Aibling soll eine gewerbliche Weiterentwicklung nur in Abstimmung der
Kurbadfunktion ermöglicht werden.
Arten- und Biotopschutzprogramm (ABSP) für den
Landkreises Rosenheim:
Laut ABSP handelt es sich beim Willinger Weitmoos um ein landesweit bedeutsames
Feuchtgebiet.
Unter Ziele und Maßnahmen wird aufgeführt: Sicherung der
überregional bis landesweit bedeutsamen Artvorkommen im Weitmoos und den
Randbereichen der Willinger Filze durch Ausdehnung der Restflächen und
Vernetzung derselben; Renaturierung ehemaliger Feucht- und
Streuwiesenstandorte; Extensivierung der Landwirtschaft auf
Niedermoorstandorten.
Landschaftsplan der Stadt Bad Aibling:
Willinger Weitmoos: Dieses stark entwässerte Versumpfungsmoor wird relativ
intensiv landwirtschaftlich genutzt.
Nördlich des Kaltenbachs weist der Agrarplan landwirtschaftliche
Flächen mit durchschnittlichen Erzeugungsbedingungen aus. Südlich
grenzen an den Kaltenbach erhaltens- und schützenswerte relativ intakte
Streuwiesen. Diese restlichen Streuwiesen sind aufgrund der übrigen
Meliorationsmaßnahmen stark gefährdet. Sie sollten jedoch als
Zeugnisse einer ehemals typisch bäuerlichen Bodennutzung und zur Erhaltung
der Artenvielfalt unbedingt in ihrer derzeitigen Qualität erhalten
werden.
Die Stadt setzt weiter auf einen bereits beginnenden Aufschwung im Bereich
Kur, Kliniken, Fremdenverkehr (lt. SZ-Interview vom 8. 2.00 mit Bm. Dr.
Keitz).
Durch die Lage direkt an der Autobahnausfahrt würde ein weithin
einsehbares Industriegebiet (mit Bauhöhen von fast 19 Metern,
3-Schicht-Betrieb und LKW-Verkehr rund um die Uhr) eine sehr schlechte
Visitenkarte für die sich wandelnden Gesundheitszentren Bad Aibling und
Bad Feilnbach sein. Schließlich will Bad Aibling, begünstigt durch
die strategisch hervorragende Lage nahe München, Salzburg, Innsbruck und
begünstigt durch die Lage inmitten der wunderschönen
Voralpenlandschaft (Berge und Seen), seine Standortqualitäten allgemein
verbessern. Durch Verkehrsberuhigung der Innenstadt, Wellnessangebote,
Tagungs-/Seminarangebote, Erlebnisbad uvm. sollen Aufenthaltsqualität und
das vorhandene Wellness-,Sport- und Gastronmieangebot verbessert werden.
Vier qualifizierte Fachplaner aus den Bereichen Wirtschaft, Städtebau,
Landschaft und Verkehr arbeiten jetzt im zweiten Jahr an einem
Stadtentwicklungsplan für Bad Aibling.
Sie sind sich einig in der Ablehnung(!) einer Industrieansiedlung im Weitmoos.
Die Leitbilder, Ziele und Maßnahmen zukünftiger Wirtschafts- und
Gewerbeentwicklung sehen vielmehr einen Gewerbepark im Westen der Stadt
vor.
Im Weitmoos schlagen die Planer einen "Moorpark" vor.
Folgende Vorstellungen wurden für dieses Projekt genannt:
Gemeinsames Projekt von Bad Aibling und Bad Feilnbach; imagewirksame
Selbstdarstellung der Moorbäder; Infozentrum, Cafe; Fuß- und
Radwegeverbindung in beide Badeorte; Schutz und Aufwertung der Landschaft nach
ökologischen und ästhetischen Gesichtspunkten.
Prof. D. Valentin:
"Die Ansiedlung des Logistikzentrums Kathrein stellt einen baulichen
Eingriff in einen heute - bis auf die Autobahn - noch großräumig
intakten landschaftlich geprägten Raum dar, der damit seinen Charakter
grundsätzlich und negativ ändern würde.
Die Verantwortung für die Voralpenlandschaft als nicht nur regional
sondern europäisch bedeutende Ferienlandschaft zwingt zu besonderer
Sorgfalt bei der Ausweisung von Gewerbe- und Industrieflächen sowie auch
bei der Planung von Verkehrsstraßen. Beides wird von den
Erholungssuchenden im Regelfall als negativ und
landschaftsbeeinträchtigend empfunden.
Die Auswahl von Gewerbe- und Industrieflächen muss deshalb in besonderem
Maße dem Kriterium der Landschaftsverträglichkeit genügen.
Grundsätzlich sind wenige, gut erschlossene und größere
Gewerbeflächen der dispersen Zersiedelung vorzuziehen. Dies setzt
interkommunale Zusammenarbeit voraus. Im Raum Bad Aibling - Rosenheim
erscheinen für großmaßstäbliche Gewerbeansiedlungen die
Flächen in Rosenheim bzw. Kolbermoor besser geeignet."
Kein Bauvorhaben wäre an dieser Stelle im Außenbereich
gelegen genehmigungsfähig, ginge es nach den Vorgaben von Raumordnung und
Landesplanung.
Eine auf demselben Grundstück geplante Reisebusstation wurde, obwohl sie
besser zum Fremdenverkehr gepasst hätte, 1997 im Raumordnungsverfahren
abgelehnt.
Regierung von Oberbayern, Regionalplanungsstelle,
23.7.97:
... Die Zweckmäßigkeit dieser Anlage und der Bedarf dafür
mögen unbestritten sein. Ebenso auch mit der Reisebusstation verbundene
positive wirtschaftliche Auswirkungen, zumal ganz allgemein das Ziel besteht,
den Fremdenverkehr und den Erholungsverkehr in diesem Raum zu stärken. Der
konkrete Standort jedoch im reinen Außenbereich gelegen und weithin
einsehbar, wird hier nicht für sinnvoll gehalten. Eine solche Anlage hat
keinen Bezug zum Alpenraum und zum Kurwesen und hat infolgedessen auch im
Alpenvorland keine Berechtigung ... Insbesondere stehen dem Vorhaben
schutzwürdige Belange ... aus der Sicht des Naturschutzes, der
Landschaftsökologie sowie die Belange des Schutzes unversehrter Landschaft
entgegen. Ein weiterer wichtiger Konflikt ist in der mangelnden Zuordnung zu
Siedlungsgebieten zu sehen.
Nur den "guten Beziehungen" der Firma Kathrein ist zu
"verdanken", dass diesmal ein Raumordnungsverfahren umgangen werden
konnte - entgegen jeder Planungsgerechtigkeit und gegen den ausdrücklichen
Willen des Aiblinger Stadtrates.(siehe Beschluss vom 15.7.99)
Das bereits eingeleitete Raumordnungsverfahren wurde von der Regierung von
Oberbayern wieder eingestellt mit der Begründung, Landrat Dr. Gimple habe
bereits (schriftlich, 2.4.98) so weitreichende Zusagen an das Unternehmen
Kathrein gemacht, dass eine landesplanerische Überprüfung
"obsolet geworden sei" (also überflüssig).
Dem Bund Naturschutz (BN), der gegen diesen groben Verfahrensfehler geklagt
hatte, wurde in zweiter Instanz vor dem Verwaltungsgerichtshof das
Klagerecht abgesprochen.
In seiner Klage vor dem Verwaltungsgericht hatte der BN angeführt, seine
Beteiligungsrechte als Naturschutzverband seien verletzt worden, ferner sei
eine erhebliche überörtliche Raumbedeutsamkeit für das Vorhaben
Kathrein gegeben, die ein Raumordnungsverfahren zwingend notwendig mache. Die
Verlagerung des Verfahrens auf eine völlig andere Planungsebene (Kommune)
sei unzulässig.
Materiell rechtlich, also in der Sache, wurde der Auffassung des
Verwaltungsgerichts München (1. Instanz), das Bauvorhaben sei
problematisch und mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, vom
Verwaltungsgerichtshof nicht widersprochen.
Das Ausweisungsverfahren für dieses Industriegebiet, ohne
Raumordnungsverfahren und landesplanerische Bewertung, hat in seiner
Einmaligkeit landesweit wirksamen Präzedenzcharakter, Die Art und Weise
der politischen Beeinflussung des Verfahrens allgemein und der Vorabsprachen
Kathrein, Gimple, Wiesheu mit weitgehenden Zusagen an das Unternehmen im
Besonderen lassen ein ordentliches Planungsverfahren zum bloßen
Kasperltheater verkommen.
Schlimmstensfalls, wenn diese Verfahrenweise Schule macht, könnte dem
ungebremsten Flächenfraß und dem rücksichtslosen
Landschaftsverbrauch in ganz Bayern Tür und Tor geöffnen werden.
Schon jetzt wird in Bayern jährlich eine Fläche so groß wie der
Chiemsee bebaut.
Ohne Zweifel muss eine Bebauung im reinen, extremen Außenbereich Bad
Aiblings als Schaffung eines neuen Siedlungskernes, als Zersiedelung der
Landschaft gewertet werden, die den allgemein gültigen und
vernünftigen Bestrebungen nach kompakten Siedlungsstrukturen
entgegengerichtet ist. Auch nach Aussage des Städteplanerteams (Valentin,
Biesterfeld, Pietrusky, Lang) kann vorsichtige Siedlungsentwicklung bei uns
aber allenfalls noch im Westen der Stadt erfolgen.
Wir müsssen davon ausgehen, dass innerhalb kürzester Zeit beiderseits
von Staatsstraße und Autobahn weitere ähnliche Ansiedlungen folgen
würden und allmählich das gesamte Weitmoos mit Industrie und Gewerbe
"volllaufen" könnte. Was sollte noch gegen weitere Ansiedlung
von Betrieben sprechen, wenn einmal die Erschließung mit Strom, Wasser
und Kanal bis zur Autobahn vorhanden ist?
Selbst die ruhenden Pläne für einen Regionalflugplatz kämen
vermutlich schnell wieder aus der Schublade.
Kathrein hat auf seinem Grundstück Restfläche, die das Unternehmen
selbst nicht bebauen will, die es aber nach der Industriegebietsausweisung (mit
großem Gewinn) als Industriegrundstücke weiterverkaufen könnte,
ohne dass die Stadt noch Einfluß nehmen könnte auf die Auswahl der
Betriebe.
Aus verkehrstechnischer Sicht ist der geplante Aiblinger Standort für
die Firma Kathrein schlecht angebunden, da die Hauptproduktionsstätten in
Rosenheim und Thansau liegen.
Für ein Logistikzentrum (Hochregallager) ist die Nähe an bestehende
Produktionsstätten wegen des regen Warenaustausches von besonderer
Bedeutung. Rund um die Uhr (3-Schichtbetrieb) würden LKWs zwischen Thansau
und Bad Aibling hin- und herpendeln. Dazwischen liegt das für häufige
Staus bekannte Inntaldreieck. Bei Stau auf der A8 würden die LKWs die
umgebenden Orte schwer belasten.
Grundsätzlich geht es uns selbstverständlich nicht darum, die
Expansion der Firma Kathrein ganz allgemein zu behindern. Allerdings muss ein
ordnungsgemäßer Verfahrensablauf eingehalten werden, damit die
Belange von Natur und Landschaft besonders auch aus regional- und
landesplanerischer Sicht Beachtung finden.
Der Aiblinger Standort ist nach unserer Überzeugung aus den genannten
Gründen für ein Industriegebiet jedoch nicht geeignet.
Landschaftsverträglicher, verkehrstechnisch günstiger und
umweltverträglicher sind Flächen am Autobahnanschluss Rosenheim und
in Thansau, die auch die Möglichkeit, den Gütertransport wieder mehr
auf die Bahn zu verlagern, offen lassen.
Diese Industrieflächen sind erschlossen - allerdings natürlich nicht
zum Preis von Grünland zu haben.
Die Zahlen zeigen, dass besonders das vielgepriesene Kolbermoor mit seinem
riesigen Gewerbepark eine weit schlechtere Bilanz aufweist als Bad Aibling.
Industrie im Süden der Stadt schadet dem im Aus- und Umbau begriffenen
Kur-, Klinik- und Tourismusbetrieb, weil Industrie allgemein Erholungssuchende
eher abschreckt. Wir halten es für unverantworlich dieses stabile
Standbein unserer Wirtschaft zu gefährden. Ein zweites Standbein, darf das
erste gesunde nicht zerschlagen!
Industrie passt nicht zur Geschichte und Tradition von Bad Aibling.
Dem mittelständischen Gewerbe hingegen, v.a. expandierenden einheimischen
Handwerks- und Gewerbebetrieben, sollte ein Angebot im Westen der Stadt gemacht
werden (Gewerbepark Markfeld). Zusätzliche ist unbedigt
Flächenmanagement/Stadtmarketing für die innerstädtischen
Reserven erforderlich.
Prof. Dr. Dr. Ulrich Pietrusky:
"Es lohnt sich, den Wirtschaftsfaktor Kur und Fremdenverkehr
weiterzuentwickeln, trägt er doch ganz maßgeblich zum Volkseinkommen
und zum Arbeitsplatzangebot der traditionsreichen Stadt Bad Aibling
bei."
100 versprochene Arbeitsplätze in einem modernen Hochregallager sind
keine sehr plausible Zahl. Im allgemeinen führt die Zentralisierung von
Funktionen eher zum Abbau von Stellen; vermutlich aber primär zu deren
Verlagerung. Mit Sicherheit sind aber die Versprechen der Firma Kathrein in
keiner Weise bindend!
Es ist geradezu abenteuerlich, die vielen vorhandenen und neu entstehenden
Arbeitsplätze des Gesundheits- und Fremdenverkehrswesens durch das sich
abzeichnende Industrieszenario im Süden der Stadt zu gefährden.
Fragen Sie beispielsweise die Träger der Neurologischen Klinik nach den
Kriterien ihrer Standortwahl!