Offener Brief an die Stadträte von Bad Aibling

Sehr geehrte Stadträtin, sehr geehrter Stadtrat,

nach der letzten Stadtratssitzung am 27. Januar 2000 habe ich bei der Regierung von Oberbayern und im Bayerischen Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen recherchiert, um die Zusammenhänge im Planungsverfahren zur Ausweisung des Industriegebietes in der Eulenau aufzeigen zu können.

Eruieren konnte ich dabei, dass die sogenannten Beschleunigungsgesetze keine rechtliche Grundlage für die Vereinfachung bzw. Verkürzung des betreffenden Planungsverfahren darstellen. In der Tat bezieht sich dieses Bundesgesetz ausschliesslich auf den Verkehrswegebau in den neuen Bundesländern und angrenzenden Teilbereichen der alten Bundesländer. Dieses Gesetz fand und findet in Oberbayern keine Anwendung, so die Aussage des zuständigen Juristen im Umweltministerium.

Herangezogen werden müssen hingegen das Bundesraumordnungsgesetz in seiner Novellierung von 1997 und das darauf aufbauende Bayerische Landesplanungsgesetz desselben Jahres. Darin ist beschrieben, dass das Raumordnungsverfahren zwar entfallen kann, wenn parallel ein Bauleitplanverfahren läuft, die Erfordernisse der Raumordnung aber dennoch im Rahmen einer landesplanerischen Stellungnahme in dieses Bauleitverfahren einfliessen müssen. Dabei sind die Ziele der Raumordnung, die jeweils im betreffenden Regionalplan festgeschrieben sind, zu beachten, so einstimmig die Regierung von Oberbayern und das Umweltministerium.

Das bedeutet, dass der Stadtrat in seiner Entscheidung über die Ausweisung des Industriegebietes die regionalplanerischen Zielsetzungen zu beachten hat. Diese sind rechtsverbindlich. Von den 15 in der betreffenden Stadtratssitzung verlesenen Stellungnahmen waren 14 negativ. Sie weisen alle auf die zu beachtenden Ziele des Regionalplans hin. Diese Stellungnahmen nehmen nicht nur Bezug auf Natur- und Vogelschutzbelange, sondern auch mit Nachdruck auf die festgelegten Zielsetzungen der Siedlungsentwicklung im Mangfalltal. Dennoch hat sich der Stadtrat - zwar knapp, aber dennoch- mehrheitlich für die Fortsetzung des Bauleitverfahrens ausgesprochen. Über die Einhaltung der behördenverbindlichen Vorgaben des Regionalplans wacht eigentlich die Aufsichts- und Genehmigungsbehörde, also das Landratsamt Rosenheim. Hier wird die Sache pikant: Herr Landrat Dr. Gimple hat bereits im Vorfeld des Bauleitplanverfahrens eine Zustimmung zur Ausweisung signalisiert, wie wir dem Gerichtsurteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entnehmen können. Letztlich hat er damit einer Missachtung der verbindlichen Regionalplanungsziele zugestimmt. Im Klartext bedeutet dies, dass mit der Ausweisung des Industriegebietes Rechtsnormen gebeugt werden, da ein Industriegebiet mit den Zielen des Kurbades Aibling und dem Gebiet des Willinger Weitmoos als Teil eines grossen, überregional bedeutsamen Erholungsraumes nicht vereinbar ist. Die Kontrollfunktion wurde im voraus ausgeschaltet.

Ich erachte daher das Procedere in diesem Genehmigungsverfahren aus planungsrechtlicher Sicht für äusserst bedenklich. Darüber hinaus vermisse ich jegliche Gerechtigkeit: Einem kleinen Privatmann würde die Stadt ein Baurecht in vergleichbarer Situation verweigern, spätestens die Aufsichtsbehörde würde einschreiten, weil verbindliche übergeordnete Vorgaben verletzt werden würden.

Gewiss frage ich mich, inwieweit die Mitglieder des Stadtrates die Tragweite der Entscheidung für das Industriegebiet vor dem landesplanungsrechtlichen Hintergrund einzuschätzen wissen. Ich bitte Sie, dies im weiteren Genehmigungsverfahren zu bedenken.

Überdies erlaube ich mir, Ihnen ein paar Zitate aus der mir vorliegenden Literatur, einigen Gesetzestexten und Planwerken als Information beizufügen.

Ich hoffe sehr, dass die Ausweisung dieses unsäglichen Industriegebietes abgewendet werden kann. Dafür werde ich meine ganze Kraft und mein Engagement einsetzen. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine Industrienutzung dieser Dimension, zusammen mit den zu erwartenden gewerblich-industriellen Folgeprojekten auf den dann erschlossenen Grundstücken bis nach Pullach, die Kurbadfunktion unserer Stadt völlig zunichte machen wird; ganz zu schweigen von den katastrophalen Auswirkungen der Zersiedelung, die sich grossflächig in einen wunderschönen Landschaftsraum im südlichen Stadtgebiet fressen wird. Ein zweites Standbein, das das erste zerschlägt, kann nicht unsere Perspektive für eine vernünftige und ausgewogene Stadtentwicklungspolitik sein. Mit meinem fachlichen Wissen als Landschaftsarchitekt muss ich das Planungsvorhaben entschieden ablehnen.

Ich würde mir sehr wünschen, dass alle Mitglieder des Stadtrates zur Einsicht gelangen und erkennen, dass das geplante Industriegebiet aus rechtlicher und planerischer Sicht der falsche Weg ist, eine neue, fundierte und nachhaltige Stadtentwicklungspolitik einzuleiten. Wir sind angehalten, aufbauend auf der Tradition unseres Kurbades sich ergänzende Gewerbesektoren in verträglichem Umfang und an geeigneter Stelle zu fördern. Überdies darf Bad Aibling seine singuläre Stellung im Mangfalltal als historisch gewachsene Stadt mit kompakten Siedlungsstrukturen in landschaftlich reizvollem Zusammenhang nicht verlieren. Das wäre das Ende der Prosperität unserer Heimatstadt.

 

Mit freundlichen Grüssen

 

i. A. Max Leuprecht