Schreiben der Umweltgruppe an den Ausschuß für Landesentwicklung und Umweltfragen im Bayerischen Landtag


Sitzung 16.11.00: Behandlung der Petition des Bundes Naturschutz (BN) vom 7.12.1999 - Geplantes Industriegebiet im Willinger Weitmoos, Stadt Bad Aibling, Lkr. Rosenheim

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Umweltgruppe Bad Aibling, darunter Mitglieder des BN und des Landesbundes für Vogelschutz, der Bayerischen Architektenkammer und des Stadtrates, unterstützen die Petition des BN.
Wir schließen uns in Gänze den Ausführungen des Landesbeauftragten des BN, Herrn Prof. Dr. Hubert Weiger, und des Kreisvorsitzenden des BN, Herrn Ernst Böckler, an. Insofern möchten wir die bereits dargelegten Verletzungen der Belange des Natur- und Umweltschutzes sowie der Landesentwicklung und Raumordnung nicht wiederholen, sondern um die kommunalen Aiblinger Aspekte erweitern.

Seit Juni 2000 existiert für die Stadt Bad Aibling ein Stadtentwicklungsplan (STEP) - eine integrierte Rahmenplanung zur Gesamtentwicklung der Gemeinde und des Kurortes, erstellt im Auftrag der Stadt und einstimmig am 29.6.2000 vom Stadtrat gebilligt.
Der STEP Bad Aibling wurde von der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern gefördert.
Während zwei Jahren wurde dieser Plan von einem renommierten Planerteam
Landschaft: Prof. Dipl.-Ing. Donata Valentien, Weßling
Bevölkerung/Wirtschaft/Infrastruktur: Prof. Dr. Dr. Ulrich Pietrusky, Ortenburg
Städtebau: Dipl.-Ing. Horst Biesterfeld, Bad Birnbach
Verkehr: Prof. Dr. Dipl.-Ing. Hansjörg Lang, München
in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung und interessierten Bürgern erarbeitet.

Die Leitbilder und Zielvorstellungen des STEP machen deutlich, dass die Stadt trotz der Strukturkrise im Kurwesen weiter auf einen bereits beginnenden Aufschwung im Bereich Kur, Kliniken, Fremdenverkehr setzen muss.

Mit der Ausweisung eines Industriegebietes (mit Bauhöhen von fast 19 Metern, 3-Schicht-Betrieb, LKW-Verkehr rund um die Uhr) direkt an der Autobahnausfahrt Bad Aibling im Willinger Weitmoos würde ein weithin einsehbares Industrieszenario entstehen. Ein auf Kurgäste und Besucher abschreckend wirkendes Entree wäre kontraproduktiv für die Ambitionen der Kurstadt, die sich zum modernen attraktiven Gesundheitszentrum entwickeln will, und abträglich für die gesamte Fremdenverkehrsregion ,Wendelstein".
Bad Aibling, begünstigt durch die geographisch hervorragende Lage nahe München, Salzburg, Innsbruck und inmitten der großartigen Voralpenlandschaft, will seine Standortqualitäten verbessern. Durch Verkehrsberuhigung der Innenstadt, Wellnessangebote, Tagungs-/Seminarangebote, Erlebnisbad etc. sollen die Aufenthaltsqualität und das vorhandene Sport- und Gastronomieangebot verbessert werden.
Das bestehende Arbeitsplatzangebot im Klinik-, Kur-, Tourismusbereich kann dadurch gesichert und ausgebaut werden.

Das o.g. Planerteam ist sich einig in der Ablehnung(!) einer Industrieansiedlung im Weitmoos. Die Leitbilder, Ziele und Maßnahmen zukünftiger Wirtschafts- und Gewerbeentwicklung sehen einen Gewerbepark an anderer Stelle, im Westen der Stadt vor.
Im Weitmoos schlagen die Planer einen "Moorpark" vor mit den Zielsetzungen:
Gemeinsames Projekt von Bad Aibling und Bad Feilnbach; imagewirksame Selbstdarstellung der Moorbäder; Infozentrum, Cafe; Fuß- und Radwegeverbindung in beide Badeorte; Schutz und Aufwertung der Landschaft nach ökologischen und ästhetischen Gesichtspunkten.

Prof. D. Valentin: "Die Ansiedlung des Logistikzentrums Kathrein stellt einen baulichen Eingriff in einen heute - bis auf die Autobahn - noch großräumig intakten landschaftlich geprägten Raum dar, der damit seinen Charakter grundsätzlich und negativ ändern würde.
Die Verantwortung für die Voralpenlandschaft als nicht nur regional sondern europäisch bedeutende Ferienlandschaft zwingt zu besonderer Sorgfalt bei der Ausweisung von Gewerbe- und Industrieflächen sowie auch bei der Planung von Verkehrsstraßen. Beides wird von den Erholungssuchenden im Regelfall als negativ und landschaftsbeeinträchtigend empfunden.
Die Auswahl von Gewerbe- und Industrieflächen muss deshalb in besonderem Maße dem Kriterium der Landschaftsverträglichkeit genügen. Grundsätzlich sind wenige, gut erschlossene und größere Gewerbeflächen der dispersen Zersiedelung vorzuziehen. Dies setzt interkommunale Zusammenarbeit voraus. Im Raum Bad Aibling - Rosenheim erscheinen für großmaßstäbliche Gewerbeansiedlungen die Flächen in Rosenheim bzw. Kolbermoor besser geeignet."

Ein Industriegebiet im Willinger Weitmoos würde eindeutig im Widerspruch zu den Leitbildern und Zielsetzungen des STEP stehen.

Stadtverwaltung und Stadtrat haben versucht, diesen offensichtlichen Widerspruch zum STEP, wie er auch zur Landesentwicklung und Raumordnung besteht, aufzulösen. Ein Bürgerentscheid über das neue Industriegebiet, der quasi eine Pattsituation in der Bürgermeinung aufgezeigt hatte, musste zudem gewürdigt werden.
So wurde ein weitergehender städtebaulicher Vertrag statt eines gewöhnlichen Erschließungsvertrages für das Gebiet an den Bauwerber herangetragen.

Mit dem Bauwerber, der Firma Kathrein, konnte jedoch bis zum heutigen Zeitpunkt über diesen Vertrag keine Einigung erzielt werden.

Wir sind der Überzeugung, dass die aufgezeigten Widersprüche nicht auflösbar sind und deshalb ein Industriegebiet in dieser Lage grundsätzlich nicht entstehen darf. Darüber hinaus wird es fatale Folgewirkungen haben, wenn so kurz nach Verabschiedung des STEP derart inkonsequente Planungen durchgesetzt werden können, die geeignet wären die Gradlinigkeit der neuen Stadtplanung sofort wieder in Frage zu stellen.

Wir bitten Sie daher dringend, sich gegen das geplante Industriegebiet im Willinger Weitmoos auszusprechen. Es wurden unseres Erachtens wesentliche und vernünftige planungsrechtliche und allgemeine gesetzliche Grundlagen missachtet.

Mit freundlichen Grüßen

im Auftrag

Anita Fuchs