Bayern Tour Natur 2002: Unkraut - Wildkraut - Heilkraut


Exkursion in die Thanner Filze mit Apotheker Dr. Günter Fleischmann

Jahrhundertelanges Kultivieren, das Trockenlegen von Sumpfgebieten, der Abbau von Brenntorf, die Torfgewinnung für den Gartenbau und der Abbau zu Heilzwecken - Moore gehören zu den bedrohtesten Lebensräumen in Deutschland. Höchstens 5 Prozent der Hochmoore in Bayern sind noch intakt. Ein naturkundlicher Streifzug durch die Thanner Filze - Aiblinger Abbaugebiet, Moorwald und letztes, fast noch intaktes kleines Hochmoor ...

Geologie

Die Gemeinde Bad Aibling liegt im Naturraum Inn-Chiemsee-Hügelland, das den vom Inn-Gletscher während der letzten Eiszeit geprägten Teil der Zone des voralpinen Hügel- und Moorlandes darstellt. Das Gemeindegebiet gehört einer Vielzahl verschiedener naturräumlicher Einheiten an, die der Stammbecken- und Grundmoränen-Zweigbeckenzone des ehemaligen Inn-Gletschers zuzuordnen sind.

Das Stammbecken als Hauptschürfbereich des Gletschers wurde vor etwa 20.000 - 18.000 eisfrei. 1 Nach dem Schwinden des Eises lag sein Grund erheblich tiefer als das Umland. Die Senke zog daher eine Anzahl von Flüssen an. Die gewaltigen Schmelzwassermassen des Inn-Gletschers sammelten sich zunächst in seinem Stammbecken und lagerten Seetone, Sand und Schotter ab, die ebene Flächen bilden. Der Rosenheimer See füllte das Becken für einen Zeitraum von mindestens 6.000 Jahren. Es handelte sich um eine Art Fjord. 2 Sein Seespiegel lag in einer Höhe von etwa 478 m über NN. Auf dem Gemeindegebiet finden sich bis zu einem Niveau von etwa 470 m über NN seine Tonsedimente, die aus der eingeschwemmten zentralalpinen Gletschertrübe stammen.

In der Thanner Filze befinden wir uns in einem Zweigbecken des ehemaligen Rosenheimer Sees, dem Attel-Zweigbecken. Durch ungünstige Abflussverhältnisse fand auf den hier vorhandenen, verdichteten Geschiebemergeln eine Vermoorung statt. Der so genannte Seefilzenkomplex entstand. Die Thanner Filze ist ein Teil davon. Die Moorentwicklung zog sich über mehrere tausend Jahre hin. Es war, wie bereits angedeutet, kein Verlandungsprozess eines Sees. Das Hochmoor bildete sich hier über wenig geneigten tonigen Ablagerungen. Es kam zu einem Stau von Regenwasser. Da aus der Umgebung kein zusätzlicher und nachhaltiger Quellwasserzustrom stattfand, konnten sich Pflanzen ansiedeln, die auf ein nährstoffarmes und nasses Milieu angewiesen sind: Torfmoose (Sphagnum). Dies geschah während des Atlantikums vor ca. 8.000 Jahren, als klimatisch günstige Bedingungen herrschten. Seitdem wurden Torfschichten mit mehreren Metern Mächtigkeit aufgebaut. Inmitten des Hochmoorkomplexes lag der Thanner Moorsee direkt zwischen der noch heute sichtbar aufgewölbten Fläche des Hochmoores im Westen und der Grundmoräne im Osten. Laut dem Kartenblatt Rosenheim aus dem topographischen Atlas von 1830 war er mit ca. 2,5 ha. die größte Wasserfläche in Aibling. Er war etwa 200 m lang und wurde Mitte des 19. Jahrhunderts entwässert. Im Westteil des ehemaligen Sees befindet sich heute eine Pseudohochmoorvegetation, im Ostteil findet noch immer Streuwiesennutzung statt.

Naturräumliche Einheit  Seefilzenkomplex

Geomorphologie  Basaler Abschnitt des Attel-Zweigbeckens; bis auf flache, niedrige Grundmoränenrücken vermoort 492 - 506 m über NN

Hydrologie  Hochmoor mit teilweise nur mäßiger Störung des Wasserhaushalts. Abfluss des Überschusswassers über die Rott und die Gräben von Schmidhausen nach Holzhausen und bei Thalacker in Torfstichweiher. Thanner See abgesenkt und verlandet

Böden, Substrat  Hoch- und Übergangsmoortorf, Grundmoränen mit Pseudogley und podsolierten Parabraunerden

Hauptnutzungen  Ungenutzte Moorwälder; Forste, Grünland, früher Badetorfabbau und Moorschlammdeponie

Ursprüngliche naturräumliche Vegetation  Latschen-Hochmoor, randlich Pseudohochmoor, Kiefer- und Fichten-Moorwälder, Hainsimsen-Tannen-Buchenwald und Weißmoos-Kiefernwald, Hochmoor-Flechtenweide

Reale Vegetation  Kiefern-Birken- und Fichten-Moorwald; offenes Hochmoor, z.T. mit Latschen und Pseudohochmoor (Thanner See und Torfstiche), saure Pfeifengrasstreuwiese, Kohldistelwiesen; Wasserschlauchgesellschaften (Torfstichweiher); Fichtenforste

Potentiell natürliche Vegetation  Fichten-Moorwald, Latschen-Hochmoor, Hainsimsen-Tannen-Buchenwald und Weißmoos-Kiefernwald

Abbildung1: Ausschnitt aus der Geologischen Karte um Rosenheim 3

Abbildung 2: Das Voralpenland während der älteren Eiszeiten (zum Teil nach Entwurf BADER, 1982)

Die älteren Gletschervorstöße haben die alten nach Norden gerichteten Flussläufe benutzt und zu Zungenbecken ausgeschürft. Nur das alte nach Nordosten verlaufende Isartal zwischen Bad Tölz und Wasserburg wurde von Moränen und Schottern verschüttet. Durch den weit nach Norden vorgeschobenen Inn-Gletscher und seine Moränen war der Abfluss nach Osten versperrt, die Schmelzwässer wurden alle trichterartig nach Norden gelenkt. Dabei kam es zur Ausspülung der weichen Tertiärschichten und zur Ablagerung großer Schottermassen im Südteil der Münchener Ebene. Diese Deckenschotter lassen sich zwischen den Zungenbecken noch weit nach Süden unter die Altmoränen verfolgen; sie werden hier zum Teil als Vorstoßschotter des vorrückenden Eises gedeutet, zum Teil als periphere Schmelzwasser-Schotterstränge, die beim randlichen Abschmelzen des Eises entstanden. Nach Abschmelzen der Gletscher bildeten sich in den Zungenbecken des Ammer-Loisach-Bereichs bereits die ersten Seen. Die Ur-Isar fand ihren Weg über Erding nach Norden und mündete bei Moosburg in die Loisach.4

Abbildung 3: Das Voralpenland am Ende der Würm-Eiszeit (zum Teil nach Entwurf BADER, 1982)

In der Riß- und Würm-Eiszeit wiederholten sich sich die in Abbildung 1 geschilderten Vorgänge. Die Münchener Schotterebene dehnte sich weiter nach Norden aus. In der Riß-Eiszeit wurde die Hochterrasse im Süden über die Deckenschotter, im Norden über Tertiär geschüttet. Anschließend wurden in der Würm-Eiszeit große Teile der Hochterassenschotter abgetragen und in die Niederterasse eingelagert. Nur wenige Hochterassen-Inseln mit Lößdecken blieben stehen (z.B. zwischen Berg am Laim und Ismaning). Südlich des weiter zurückliegenden Jungmoränengürtels bildeten sich sukzessive mit dem Zurückschmelzen der Gletscherzungen große Seengebiete, die sofort wieder mit Deltaschottern und Seetonen aufgefüllt wurden (wie z.B. der Wolfratshausener See durch die jetzt dorthin fließende Isar). Das Ammersee-Becken mit nur schwächerem Zufluss wurde nur zur Hälfte aufgefüllt, das Starnberger-See-Becken mit weitgehend fehlendem Zufluss blieb vollkommen erhalten. Die tiefen inneralpinen Becken sind hauptsächlich schon in der Riß-Eiszeit verfüllt und dann von den Würm-Gletschern kaum mehr ausgeräumt worden. Die aus dem Tegernsee kommende Mangfall, die zunächst auch nach Norden über die Schotterebene abfloss, hat mit dem Abschmelzen des Inn-Gletschers wieder einen Durchbruch in das tiefliegende Rosenheimer Becken geschaffen. Als Zwischenstadium wählte sie einen weiten peripheren Bogen nach Nordosten und schuf das heute zum Teil trockene so genannte Glonner Urstromtal zwischen den Rückzugsmöränen des Inn-Gletschers.5

Auswahl an Pflanzenarten (* Heilkräuter)

Streuwiese und Wegränder

Aegopodium podagraria - Giersch*
Arnica montana - Arnika*
Achillea millefolium - Gewöhnliche Scharfgarbe*

Campanula patula - Wiesen Glockenblume
Capsella bursa pastoris - Hirtentäschel*
Cirsium Arten - Kratzdisteln

Dactylorhiza spec. - Knabenkraut
Daucus carota - Wilde Möhre
Dianthus superbus - Prachtnelke

Epipactis helleborine - breitblättrige Sumpfwurz, Ständelwurz
Equisetum palustre - Sumpfschachtelhalm
Equisetum sylvaticum - Waldschachtelhalm
Eupatorium cannabinum - Wasserdost, Kunigundenkraut*

Frangula alnus - Faulbaum*

Galium verum - Echtes Labkraut* u.a. Labkräuter
Glechoma hederacea - Gundelrebe*
Gymnadenia conopsea - Mückenhändelwurz

Hypericum perforatum - Johanniskraut*

Listera ovata - Großes Zweiblatt
Lycopus europaeus - Wolfstrapp*

Maianthemum bifolium - Zweiblättriges Schattenblümchen
Mentha aquatica - Wasserminze u.a. Minz-Arten

Oxalis acetosella - Sauerklee

Paris quadrifolia - Einbeere*
Pimpinella major - Große Bibernelle*
Plantago lanceolata - Spitzwegerich*
Plantago major - Großer Wegerich*
Platanthera bifolia - Waldhyazinthe
Polygala vulgaris - Gemeines Kreuzblümchen*
Polygonatum multiflorum - Vielblütige Weißwurz
Potentilla erecta - Blutwurz*
Potentilla anserina - Gänse-Fingerkraut*

Rubus idaeus - Himbeere*

Sambucus nigra - Schwarzer Holunder*
Sanguisorba officinalis - Großer Wiesenknopf*
Sanicula europaea - Wald-Sanikel*

Tragopogon pratensis - Wiesen-Bocksbart
Tussilago farfara - Huflattich*

Valeriana officinalis - Echter Baldrian*
Valeriana dioica - Sumpfbaldrian
Veronica officinalis - Waldehrenpreis*

Moorflächen und Regenerationszone

Andromeda polifolia - Rosmarinheide

Calla palustris - Drachenwurz
Calluna vulgaris - Heidekraut*

Drosera anglica - Langblättriger Sonnentau
Drosera rotundifolia - Rundblättriger Sonnentau

Eriophorum vaginatum - Scheidiges Wollgras

Melampyrum partense ssp. Paludosum - Moorwachtelweizen

Pinus rotundata var. pseudopumilio - Moorlatsche

Sphagnum spec. - Torfmoose

Typha latifolia - Breitblättriger Rohrkolben

Vaccinium myrtillus - Heidelbeere*
Vaccinium oxycoccus - Moosbeere
Vaccinium uliginosum - Rauschbeere
Vaccinium vitis idaea - Preiselbeere*

Heilmittel Moor

Die Moortherapie wird vor allem bei rheumatischen und gynäkologischen sowie bei Harnwegserkrankungen angewandt.
Die Patienten werden im Moorbad quasi in ein künstliches Fieber versetzt.
Durch die speziellen Eigenschaften des Bademoores wird Wärme besonders langsam und gleichmäßig an den Körper weitergegeben - Stoffwechselprozesse sollen so aktiviert werden.
Hormone aus dem Moor sollen sich günstig auf Sterilitätsprobleme bei Frauen und Potenzstörungen bei Männern auswirken.
Huminsäuren wirken keimtötend und gerben.

Weiterführende Informationen finden Sie in der Broschüre "Unser Moor", die Sie bei der Kurverwaltung in Bad Aibling (Tel. 08061-9080-0) bekommen.

Katholische Filialkirche Hl. Kreuz in Thann

Seit 1674 Wallfahrtskirche, Langhaus 1702, Weihe 1709. - Kleiner Saalbau mit Zwiebelturm über dem Giebel; der Chor, ehemals das Langhaus der ersten Wallfahrtskapelle mit Stichkappentonne, unter dem ehemaligen Chorbogen gerade geschlossen; dahinter späterer Sakristeianbau (1702), Langhaus flachgedeckt, Hochaltar um 1730 mit Kruzifix aus dem 14. Jahrhundert, drei Assistenzfiguren und vier Engel mit Leidenswerkzeugen, Auszugsmedaillon mit Gottvater und zwei Leuchterengel von Joseph Götsch, um 1790; Leinwandgemälde, Flucht nach Ägypten und Taufe Jesu, Mitte des 17. Jahrhunderts. - Seitenaltäre um 1675, später verändert, die Auszugsmedaillons mit dem hl. Joseph und Johann Nepomuk, Mitte 18. Jahrhundert. Brüstungstafelbilder mit den sieben Hauptsünden als Verursacher der Leiden Christi, 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. 6


Führung: Dr. Günter Fleischmann, Anita Fuchs, Frank Kienzle

1  Kurzzusammenfassung aus: Planungsbüro Tietz, Landschaftsplan Bad Aibling, München, 1980 bis 1983

2   E. Kraus und E. Ebers: Die Landschaft um Rosenheim, Band IV, Verlag des Stadtarchivs Rosenheim, Rosenheim, 1965

3   E. Kraus und E. Ebers: Die Landschaft um Rosenheim, Band IV, Verlag des Stadtarchivs Rosenheim, Rosenheim, 1965

4   Aus: Meyer und Schmidt-Kaler "Wanderungen in die Erdgeschichte, Band 8, Seite 34"; München 1997

5   Aus: Meyer und Schmidt-Kaler "Wanderungen in die Erdgeschichte, Band 8, Seite 35"; München 1997

6   Aus: Georg Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bayern IV, München und Oberbayern, 1990