Bayern Tour Natur 2003: Das Willinger Weitmoos – eine Landschaft und ihre Maler


Exkursion mit dem Kultur-Journalisten Hans Heyn

Die Ortsgruppe des Bund Naturschutz unternahm mit dem bekannten Kultur-Journalisten Hans Heyn einen ökologischen und kunstgeschichtlichen Streifzug durchs Willinger Weitmoos. Im Rahmen seiner volkskundlichen Arbeit setzt er sich intensiv mit unserer Voralpenlandschaft, ihrer Entstehung und Nutzung auseinander. Wir gehen der Frage nach, welche Veränderungen sich in der Kulturlandschaft und im Landschaftsbild vom 19. Jahrhundert bis heute vollzogen haben. Welchen Reiz übten Landschaft und Menschen auf so große Maler wie Wilhelm Leibl und Johann Sperl aus?

Auf der Jagd


Geologie

Naturräumliche Lage

Die Gemeinde Bad Aibling liegt im Inn-Chiemsee-Hügelland. Es wurde vom Inngletscher während der letzten Eiszeit geprägt. Die Stadt selber schmiegt sich an eine nacheiszeitliche Hangkante, im Grenzbereich zwischen sanfthügeligem Grundmoränenland im Norden und dem Westteil des ehemaligen Rosenheimer Beckens im Südosten. In diesem Becken liegt das Willinger Weitmoos als Teil eines großen, überregional bedeutsamen Niedermoorgebietes, das den nördlichen Alpen vom Mangfalltal bis ins Inntal vorgelagert ist.

Entstehung der Landschaft im Aiblinger Süden

Das Stammbecken als Hauptschürfbereich des Gletschers wurde vor etwa 20000 - 18000 Jahren eisfrei. Nach dem Schwinden des Eises lag sein Grund erheblich tiefer als das Umland. Die Senke zog daher eine Anzahl von Flüssen an. Die gewaltigen Schmelzwassermassen des Inngletschers sammelten sich zunächst in seinem Stammbecken und lagerten Seetone, Sand und Schotter ab, die ebene Flächen bilden. Der Rosenheimer See füllte das Becken für einen Zeitraum von mindestens 6.000 Jahren. Es handelte sich um eine Art Fjord. Sein Seespiegel lag in einer Höhe von etwa 478 m ü. NN. Auf dem Gemeindegebiet finden sich bis zu einem Niveau von etwa 470 m über Normalnull seine Tonsedimente, die aus der eingeschwemmten zentralalpinen Gletschertrübe stammen.

So bildeten sich große, ebene und wasserstauende Tonflächen, die einen idealen Untergrund für die Entstehung von Mooren darstellen.

Bereits vor 14000 bis 13000 Jahren kam der Moorentstehungsprozess in Gang. Die Alpenvorlandmoore sind dabei durch Versumpfung auf den undurchlässigen Tonböden der bereits abgeflossenen Schmelzwasserseen entstanden. Es bildeten sich zuerst Niedermoore, hier sogenannte Kalkflachmoore. Sie werden durch das einströmende mineralienhaltige Grundwasser aus den benachbarten Hügellandschaften geprägt. Dadurch ist der Torf der Niedermoore nährstoff- und kalkreich. Das Willinger Weitmoos stellt ein besonders großes Kalkflachmoor dar. Sandige Rücken weisen auf ehemalige Bachläufe des Dettendorfer Kaltenbaches hin. Sie wurden bei Hochwasser auf den Torfschichten abgelagert.

Auf den zentralen Seetonflächen kam es dagegen zur Hochmoorbildung. Es siedelten sich Versumpfungshochmoore an (Willinger Filz). Ihre Entstehung geht auf das Atlantikums vor ca. 8.000 Jahren zurück, als klimatisch günstige Bedingungen herrschten, das heißt es war eine regenreiche Zeit. Das Regenwasser führte in den quellfernen Gebieten zu einer Auswaschung von Nährstoffen. Nährstoff- und kalkarme Bereiche entstanden, die eine Ansiedlung von säureliebenden Torfmoosen begünstigten. Hochmoortorfschichten mit mehreren Metern Mächtigkeit wurden aufgebaut.

Am westlichen Rand des Willinger Weitmoos stoßen wir auf das Au-Staudhauser Hügelland, einem Bestandteil des tertiären Vorgebirges um Irschenberg. Die größten Höhenlagen auf dem Gebiet der Stadt Bad Aibling liegen hier bei 574,5 m zwischen Mainz, Westen und Weg. Der tertiäre Sockel aus tonigen bis verfestigten sandig-mergeligen Gesteinen ist aber nur in den Erosionsgräben aufgeschlossen, die das ansonsten ausgeglichene Relief immer wieder unterbrechen und beleben. Da sie als wasserführende Schicht fungieren, sind hier Quellaustritte verbreitet. Das gesamte übrige Gelände wird von Grundmoränen überdeckt. Gegenüber dem endmoränen gekrönten eigentlichen Bergland um Irschenberg bleibt das Au-Staudhauser Hügelland auch höhenmäßig erheblich zurück. Die Grenze dazu stellt das Tal des Pfaffinger Baches dar. Letzterer ist ebenso wie die breite Talmulde des Weiherbaches zwischen Berbling und Fachendorf tektonischen Ursprunges, also gemeinsam mit der Alpenauffaltung entstanden.

Naturräumliche Einheit Geomorphologie;
Höhenlage
Hydrologie Böden, Substrat Hauptnutzungen Ursprüngliche naturräumliche Vegetation Reale Vegetation Potentiell natürliche Vegetation

Willinger Weitmoos

südwestl. Abschnitt des Rosenheimer Beckens;

468 - 490 m ü. NN








Flachmoor: Torfbedeckte Tonsedimente des spät-eiszeitlichen Rosenheimer Sees; nach Osten mit ca. 5%o abfallende Ebene. Schwache Bodenwellen im Bereich ehemaliger Kaltenbachläufe

Minerotrophes Versumpfungsmoor, entwässert. Am Ostrand z. T. noch oberflächennahes Grundwasser


Flachmoortorf, +- stark entwässert und mineralisiert; nördlich der Autobahn entwässert. Übergangsmoor, sandige Mineralbodenstränge im Bereich ehemaliger Kaltenbachläufe.

Agrarlandschaft, Fischteiche, im NO noch Streuwiesen; am Südrand Wochenend- Grundstücke, Feldgehölze.

Schwarzerlenbruch, Übergangsmoor ("Hölleiß"), Bach-Eschenwald, auf Mineralboden Bergahorn- Eschenwald.

Glatthaferwiesen, Pfeifengrasrasen, frag. Ahlkirschen- Eschenwald, Getreideäcker, sek. Birken-Moorwald.

Bergahorn- Eschenwald, Eichen-Birkenwald


Schwemmfächer und Bachauen: holozäner Schwemmfächer und Bachauen vom Röthenbach nach Dettendorfer Kaltenbach

Röthenbachunterlauf hydrologisch intakt; Dettendorfer Kaltenbach fast vollständig kanalisiert und abgesenkt; Schwemmfächer weitgehend entwässert

Lehmig-sandiger Anmoorgley (entw.); Kalkauenboden (Röthenbach, tiefgrundig, Kaltenbach +- flachgrundig

Agrarland; am Röthenbach nach Kaltenbach forstliche Nutzung; Feldgehölze

Bergahorn- Eschenwald, Bacheschenwald

Äcker, Glatthaferwiesen, Fichtenforst, Bergahorn- Eschenwald.

Waldmeister- Tannen- Buchenwald, Bergahorn- Eschenwald.


Panger Filze (hier: Willinger Flize)


ca. 11.000 Jahre altes Moor über Tonsedimenten des spät-eiszeitlichen Rosenheimer Sees; Sekundärrelief infolge unterschiedlichen Torfabbau;

470-475 m ü. NN

Ombrotrophe Versumpfungsmoor, überwiegend ausgetorft, aber nur teilweise entwässert und mit zahlreichen nassen Torfstichen (dys- und mesotroph). Vom Kanal des Dettendorfer Kaltenbachs durchschnitten.

Hochmoortorf, in Stichen auch Flach- und Übergangsmoortorf


Teilweise genutzte Moorwälder, z. T. Aufforstungen, Badetorfabbau (großflächig), und –deponie; badetorfverarbeitendes Gewerbe; Wochenend- und Vereinsgrundstücke, Grünland.


Latschen-Hochmoor, Kiefern- und Fichtenmoorwald.


Fichten-Moorwald, sek. Kiefern und z. T. Birkenmoorwald, Latschen-Hochmoor Restflächen; offener Hochmoor-Stillkomplex; Hochwasser- Flechtenheide, in Torfstichen Kleinlaichkraut- Bestände, Grauweiden- und Birkenbruch, Pfeifengrasrasen, Großseggenriede, Kohldistelwiesen.

Fichten-Moorwald, ferner Eichen-Birkenwald und Schwarzerlenbruch.

Au-Staudhauser Hügelland

Grundmoräne über Sockel aus oberer Süßwassermolasse; diese in Unterhanglagen;

490 - 574,5 m ü. NN

Hauptgewässer: Weiherbach und Bach von Heinrichsdorf. Zahlreiche Quellen in Unterhanglagen.

u. a. Parabraunerden, Hang- und Anmoorgley; in den Gräben auch Pararendzina.

Agrarland, Forste, ländliche Siedlungen.

Hainsimsen- und Waldmeister- Tannen- Buchenwald, Kopfried.

Glatthaferwiesen, Fichtenforste, Äcker, Tannen-Buchenwald, Kopfried.

Hainsimsen- und Waldmeister- Tannen- Buchenwald.

Aus: Planungsbüro Tietz, "Landschaftsplan Bad Aibling", München, 1980 bis 1983, S. 17 - 18

Anmoorgley: Gley entstammt dem Russischen und bedeutet schlammige Bodenmasse. Gleyeböden besitzen durch Grundwasser geprägte Bodenhorizontabfolgen; Anmoorgleye weisen einen hohen Humusgehalt auf (15 - 30 %) und zeitweilig erreicht das Grundwasser hier die Bodenoberfläche. In Gleyen herrschen ständig reduzierende Verhältnisse, weil das Grundwasser in abflusslosen Senken oder lehmigtonigen Auen nur langsam zieht. Sauerstoffmangel führt zur Lösung von Eisen und Mangan, die mit dem Grundwasser kapillar aufsteigen und als Oxide ausgefällt werden, sobald sie mit dem Luftsauerstoff in Berührung kommen (an der Oberfläche oder in Wurzelröhren).

Atlantikum: Zeitalter vor 7500 bis 4500 Jahren, warm feuchtes Klima, ozeanisch geprägt, starke Erosionserscheinungen.

Dystroph: Die Ernährung störend.

Endmoräne: Wallartige Ablagerung am "Ende" des Gletschers. Nach dem Abschmelzen des Eises zeigen erhalten gebliebene Endmoränen die Ausdehnung der einstigen Gletscher an.

Fjord: Von Gletschern geformte Trogtäler, die infolge Senkung des Landes oder Hebung des Meeresspiegels vom Meer überflutet wurden. Es sind langgestreckte, häufig verästelte Meeresbuchten, die von steil abfallenden Hängen und Wänden begrenzt sind.

Grundmoräne: Masse von Gesteinstrümmern, die an der Unterseite eines Gletschers mitbewegt wird. Nach dem Abschmelzen des Gletschers bildet die Grundmoräne ein unruhiges, im Gegensatz zur Seiten- oder Endmoräne nur wenig markantes Relief.

Hanggley: Entsteht auf vernässten Flächen in Hanglage (Quellaustritte), die in niederschlagsreichen Gebieten ganzjährig wassergesättigt sind (siehe auch Anmoorgley).

Hochmoortorf: Meist nur mittel (Schwarztorf) oder schwach humifiziert (Weißtorf), so dass Pflanzenrückstände erkennbar sind. pH 2,5 - 3,5 und als reine Regenwassermoore sehr nährstoffarm.

Holozän: Jüngster Zeitabschnitt der Erdgeschichte, beginnt mit dem Ende der letzten Eiszeit vor ca. 10500 Jahren und dauert bis heute an.

Mergel: Graues oder gelbliches Sedimentgestein; besteht aus Ton, Sand und einem hohen Anteil von Kalk; bildet schwere, meist fruchtbare Böden.

Mesotroph: Mittelmäßige Ernährungsbedingungen

Minerotroph: Mineralienernährt

Moräne: Der von einem Gletscher transportierte oder abgelagerte Gesteinsschutt. Das Material ist im Gegensatz zu Flussablagerungen nur kantengerundet, wenig oder gar nicht geschichtet und reich an Feinmaterialien (Geschiebelehm), die allerdings durch das Schmelzwasser gelegentlich wieder weggeführt werden. Die Gesteinsbrocken tragen oft Kratzer, die sie sich beim Transport durch den Gletscher gegenseitig zugefügt haben.

Niedermoortorf: Meist stark humifiziert und schwarz (Schwarztorf). Ein ausreichendes Nährstoffangebot ermöglicht bei tieferem Wasserspiegel des Sommers und damit Belüftung eine Zersetzung und Humifizierung der Sprossstreu, so dass häufig nur die Wurzelsttreu erhalten bleibt. pH 4 - 7,5, der Nährstoffgehalt hängt von dem des Grund- bzw. Gewässerwassers ab.

Ombrotroph: Regenwasserernährt

Parabraunerde: Fahlerde - entsteht durch Tonverlagerung. Der tonverarmte Oberboden ist deutlich aufgehellt, darunter liegen tiefbraune Schichten. Parabraunerde bildet sich aus lockeren Mergelgesteinen, carbonatfreien Lehmen und lehmigen Sanden. Allgemein handelt es sich um günstige Ackerstandorte, neigen aber oft zu Verschlämmung und werden in Hanglagen leicht erodiert.

Pararendzina: Boden aus Sand- oder Lehmmergel, mit CaCO3-Gehalten von 2 - 70 %. Sie entwickelt sich aus Löß, Geschiebemergel, carbonathaltigen Schottern, Sanden und Sandstein durch Humusakkumulation. Unter Wald geht sie nach Entkalkung bald in Braunerden und Parabraunerden über. Sie sind meist tiefgründig, ausreichend durchlüftet und nährstoffreich; intensive ackerbauliche Nutzung ist möglich.

Tertiär: Zeitalter vor 65 Mio. – 1,5 Mio. Jahren, ältere Formation der Erdneuzeit, in der weitgehend das heutige Erscheinungsbild der Welt entstanden ist. In diesem Zeitalter wurden die sogenannte Molasse im Voralpenland abgelagert, ein Sammelname für Trümmergesteine. Die Molasse besteht hauptsächlich aus Konglomeraten, Sandsteinen, Tonen und Mergeln (Tertiäre Hügellandschaft).

Übergangsmoortorf: Wenig höhere Nährstoffgehalte als Hochmoortorf, bilden den Übergangsbereich vom Nieder- zum Hochmoor.

Vegetation: Gesamtheit der Pflanzengemeinschaften oder –bestände eines Gebietes oder der Erde, auch "Pflanzendecke".

Geologische Schichtstörungen

Geologische Schichten Legende
Ausschnitt aus der Geologischen Karte um Rosenheim (Aus: E. Kraus und E. Ebers: Die Landschaft um Rosenheim, Band IV, Verlag des Stadtarchivs Rosenheim, Rosenheim, 1965)

Entwicklung von Zungenbecken

Entwicklung von Zungenbecken
Aus: Meyer und Schmidt-Kaler "Wanderungen in die Erdgeschichte, Band 8, Seite 25"; München 1997

Die durch die Eiserosion entstandenen, gegenüber dem Untergrund (1) oft mehrere 100 m übertieften Zungenbecken werden von Endmoränen (2) umschlossen. An diese schließt die gleich alte Terassenschüttung an, die eine mächtige Füllung des Tales im Vorfeld des Gletschers über große Entfernung darstellt. Parallel mit dem Abschmelzen des Eises und dem Zurückweichen der Eisfront wurden Moräne und Terasse zerschnitten, und es bildete sich in der nun eisfreien Wanne ein See (3) aus. In diesem lagerten sich im Becken feinkörnige Sedimente (4) (Schwebstoffe) ab, während an der Mündung der Flüsse und Bäche Deltas mit den gröberen Ablagerungen (5) (Sand, Kies) entstanden. In den Gebieten mit hoher Schwebfracht (besonders Gebieten mit kristallinen Gesteinen) sind die Becken bereits bald nach ihrer Bildung verfüllt worden, während im Bereich kalkalpiner Flüsse die Seen bis heute erhalten blieben.

(Zitat aus: Meyer und Schmidt-Kaler "Wanderungen in die Erdgeschichte, Band 8, Seite 25"; München 1997, nach v. Husen, 1987)

Das Voralpenland am Ende der Würm-Eiszeit

Vergletscherung in der Eiszeit
Aus: Meyer und Schmidt-Kaler "Wanderungen in die Erdgeschichte, Band 8, Seite 35"; München 1997; zum Teil nach Entwurf BADER

In der Riß- und Würm-Eiszeit ... dehnte sich die Münchener Schotterebene weiter nach Norden aus. In der Riß-Eiszeit wurde die Hochterrasse im Süden über die Deckenschotter, im Norden über Tertiär geschüttet. Anschließend wurden in der Würm-Eiszeit große Teile der Hochterassenschotter abgetragen und in die Niederterasse eingelagert. Nur wenige Hochterassen-Inseln mit Lößdecken blieben stehen (z.B. zwischen Berg am Laim und Ismaning). Südlich des weiter zurückliegenden Jungmoränengürtels bildeten sich sukzessive mit dem Zurückschmelzen der Gletscherzungen große Seengebiete, die sofort wieder mit Deltaschottern und Seetonen aufgefüllt wurden (wie z.B. der Wolfratshausener See durch die jetzt dorthin fließende Isar). Das Ammersee-Becken mit nur schwächerem Zufluss wurde nur zur Hälfte aufgefüllt, das Starnberger-See-Becken mit weitgehend fehlendem Zufluss blieb vollkommen erhalten. Die tiefen inneralpinen Becken sind hauptsächlich schon in der Riß-Eiszeit verfüllt und dann von den Würm-Gletschern kaum mehr ausgeräumt worden. Die aus dem Tegernsee kommende Mangfall, die zunächst auch nach Norden über die Schotterebene abfloss, hat mit dem Abschmelzen des Inn-Gletschers wieder einen Durchbruch in das tiefliegende Rosenheimer Becken geschaffen. Als Zwischenstadium wählte sie einen weiten peripheren Bogen nach Nordosten und schuf das heute zum Teil trockene so genannte Glonner Urstromtal zwischen den Rückzugsmöränen des Inn-Gletschers.

(Zitat aus: Meyer und Schmidt-Kaler "Wanderungen in die Erdgeschichte, Band 8, Seite 35"; München 1997)

Quellen

Planungsbüro Tietz: "Landschaftsplan Bad Aibling", München, 1980 bis 1983

E. Kraus und E. Ebers: "Die Landschaft um Rosenheim", Band IV, Verlag des Stadtarchivs Rosenheim, Rosenheim, 1965

Deutscher Bücherbund Stuttgart: "Knaurs Lexikon", München,1976

Scheffer/Schachtschnabel: "Lehrbuch der Bodenkunde", Ferdinand Enke Verlag Stuttgart, 1984, 11. neu bearbeitete Auflage

Hellmut Haunschild und Hermann Jerz: "Erläuterungen zur Geologischen Karte von Bayern, 1:500000", Bayerisches Geologisches Landesamt, München, 1981, 3. neubearbeitete Auflage

Heinz Ellenberg: "Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen", Eugen Ulmer-Verlag, Stuttgart, 1986, 4. verb. Aufl.

Meyer und Schmidt-Kaler "Wanderungen in die Erdgeschichte, Band 8, Seite 35"; München 1997


Landschaft

Der besondere Reiz der Landschaft im Aiblinger Süden ist das Zusammenspiel von weiter, flacher Moosfläche und der dahinter steil aufsteigenden Bergkulisse der "Schlafenden Jungfrau". Diesen Reiz erkannten vor mehr als hundert Jahren auch die Maler Wilhelm Leibl und Johann Sperl. In zahlreichen Gemälden hielten sie die offene Streuwiesenlandschaft des Weitmooses fest.

Noch heute hat man von der Ghersburg, von Berbling und Dettendorf, vom Irschenberg und gewiss auch von zahlreichen Almen auf den Höhen der nördlichsten Berge der Voralpen einen beeindruckenden Blick in dieses weite flache Landschaftsbecken mit seinen Moor- und Waldflächen. Bemerkenswert dabei ist, dass der Eindruck dieser weit einsehbaren Landschaft von Bebauung kaum getrübt wird. Bis heute ist das Weitmoos, wie auch die angrenzenden Moos- und Filzenflächen in Bad Feilnbach und Kolbermoor, abgesehen von wenigen Gehöften und neuerdings Gartencentern, völlig unbesiedelt.

Streuwiesennutzung

Das Willinger Weitmoos gilt als Relikt einer altbayerischen Kulturlandschaft, wie wir sie in dieser ausgedehnten Weite nur noch vereinzelt im oberbayerischen Voralpenland finden. Das Weitmoos ist Teil eines der größten zusammenhängenden Niedermoorgebiete Bayerns. Auf seinen nassen Böden bildete sich eine typische Vegetation, die in Teilen natürlicherweise baumfrei blieb. Auf nährstoffärmeren Böden wuchsen sog. Kleinseggenriede, die durch niedrige Sauergräser geprägt werden. Auch durch Beweidung und Holznutzung der typischen Erlenbruch- und Erlen-Eschenwälder entstanden auf den kalkreichen Moorböden Seggenriede. Da sich auf den gerodeten Flächen vor allem Sauergräser mit einem geringen Futterwert ansiedelten, wurde das gewonnene Mähgut als Einstreu im Stall genutzt (daher der Name "Streuwiese"). Eine Nutzung der Flächen für Grünfutteranbau oder Ackerbau war wegen des hohen Grundwasserstandes nicht möglich.

Streuwiesen gelten als sehr junge Bestandteile der voralpinen Kulturlandschaft. Sie entstanden als Begleiterscheinung eines grundlegenden Wandels der Landwirtschaft ab der Mitte des 19. Jahrhunderts: Mit dem Ausbau der Eisenbahn konnte billiges Getreide aus Osteuropa importiert werden, so dass ein Getreideanbau im Voralpenland zunehmend unrentabel wurde. In Folge wurden Vieh- und Milchwirtschaft verstärkt. Einher ging ein steigender Bedarf an Stalleinstreumaterial. Da es mittlerweile stark umstritten war, Streu aus den Wäldern zu holen, führte dies in den stroharmen Landschaften des Alpenvorlandes zu einem stärkeren Nutzungsdruck auf die nassen Wiesen der Niedermoore. Regelmäßige Mahd und die einsetzende Entwässerung der Niedermoorflächen ließen Enzian-Pfeifengraswiesen als typische Streuwiesen auf nährstoffarmen, aber kalkreichen Standorten entstehen. Dabei handelt es sich um sehr artenreiche Magerwiesen mit zahlreichen Enzian- und Orchideenarten, wobei das Pfeifengras im Hochsommer für die typische braunrote Färbung dieser Wiesen sorgt.

Um die Jahrhundertwende erreichte die Streuwiesennutzung ihren Höhepunkt. Pfeifengraswiesen und Seggenriede wurden aktiv angesät. Pfeifengras und Rohrglanzgras brachten die höchsten Streu- und Düngerwerte. Orchideen und andere krautige Pflanzen galten als Unkräuter ohne Streuwert. Sie wurden bekämpft. Mittels der Einstreu konnte der Stallmist gebunden und vergoren werden. Der Festmist war im geschlossenen Stoffkreislauf der damaligen Landwirtschaft – zu einer Zeit, als Kunstdünger zwar schon erfunden, aber kaum verbreitet war – ein günstiges Mittel, die Erträge der Futterwiesen erheblich zu steigern.

Heutige Landnutzung

Das Moor in der Willinger Filze, die östlich der Staatsstraße zur Autobahn liegt, war u. a. Ausgangspunkt für die Entwicklung Bad Aiblings als erstes Moorbad in Bayern. Die Nutzung der Hoch- und Niedermoorflächen ist seit wenigen Jahren beendet. Heute werden Konzepte zur Renaturierung dieses Gebietes entwickelt.

Der Bau der Autobahn in den 30er Jahren stellte einen erheblichen Eingriff in die Mooslandschaft zwischen Bad Aibling und Bad Feilnbach dar: Der Raum wurde zweigeteilt. Einher ging die Regulierung der Kalten, deren kanalisiertes Bachbett heute über einen Kilometer südlicher verläuft. Vom ursprünglichen Bachbett in Richtung Pullach ist lediglich noch eine Geländekante sichtbar. Die Regulierung der Kalten zog auch die Teichwirtschaft mit Fischzucht im Süden nach sich.

Mitte des 20. Jahrhunderts setzte eine starke Technisierung der Landwirtschaft ein, was vielfach zum Wandel von der Festmisthaltung hin zur Schwemmentmistung führte. Die verwaisten Flächen wurden entwässert, gedüngt, fielen brach oder wurden aufgeforstet. Die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsformen haben sich weitestgehend geändert: Angebaut wird heute im Weitmoos auch Mais, ein Trockenheitskünstler, der auf Niedermoor von Natur aus eher schlechte Erträge erzielt. Der Niedermoorbodenkörper ist durch die andauernde Entwässerung zusammengesackt. Nur einzelne Streuwiesen mit ihrer spezifischen Artenzusammensetzung entgingen diesen Intensivierungsmaßnahmen.

Dettendorfer Kalten 1797
Dettendorfer Kalten 1797 (Schmitt'sche Karte SW-Deutschland 1797)
Dettendorfer Kalten 1822
Dettendorfer Kalten 1822 (Topographischer Atlas vom Königreich Bayern, 1822)

Trotz der Melioration der landwirtschaftlichen Flächen in den 60er Jahren blieb ein Teil der Grundstruktur im Willinger Weitmoos erhalten: Dominant ist die offene, parkähnliche Landschaft. Malerische Großbaumgruppen und bachbegleitende Gehölzsäume gliedern die weite Mooslandschaft. Einzelne, teilweise verfallene Stadel erinnern an die historische Streuwiesennutzung vor der Umstellung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft zur modernen Agrarwirtschaft in den Jahrzehnten der Nachkriegszeit.

Literatur

Burggraaff, Peter, Kleefeld, Klaus-Dieter: Historische Kulturlandschaft und Kulturlandschaftselemente.. Angewandte Landschaftsökologie. Heft 20. Bundesamt für Naturschutz. Bonn-Bad Godesberg 1998.

Fuchs, Anita et al: Rettet das Willinger Weitmoos. Daten – Fakten – Hintergründe. Eine Informationsbroschüre der Umweltgruppe Bad Aibling, 2000.

Konold, Werner; Hackel, Andrea: Beitrag zur Geschichte der Streuwiesen und der Streuwiesenkultur im Alpenvorland. In: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie, 38, (1990) Heft 2, S. 176 – 191.


Auswahl an Pflanzenarten

Tannen-Buchen-Wald: Abies alba (Tanne), Athyrium distentifolium (Berg-Frauenfarn), Chelidonium majus (Schöllkraut), Cherophyllum hirsutum (Kälberkropf), Fagus sylvatica (Rotbuche), Impatiens spec (Springkraut), Lamium galeobdolon (Goldnessel), Maianthemum bifolium (Schattenblümchen), Myosotis sylvatica (Wald-Vergissmeinicht), Oxalis acetosella (Sauerklee), Phyteuma spicatum (Ährige Teufelskralle), Polygonathum multiflorum (Vielblütige Weißwurz), Ranunculus lanuginosus (Wolliger Hahnenfuß), Sanicula europaea (Waldsanikel)

Magerrasen und Wegränder: Achillea millefolium (Wiesen-Schafgarbe), Alchemilla vulgaris (Frauenmantel), Anthriscus sylvestris (Wiesenkerbel), Anthylis vulneraria (Wundklee), Briza media (Zittergras), Campanula patula (Wiesen-Glockenblume), Centaurea jacea (Wiesen-Flockenblume), Equisetum arvense (Acker-Schachtelhalm), Leucanthemum vulgare (Margerite), Scabiosa columbaria (Tauben-Skabiose), Silene dioica (Rote Lichtnelke), Trifolium montanum (Bergklee)

Auwald und Gräben: Alnus spec. (Erlen), Corylus avellana (Hasel), Equisetum palustre (Sumpf-Schachtelhalm), Eunonymus europaeus (Pfaffenhütchen), Fraxinus excelsior (Esche), Geum rivale (Bach-Nelkenwurz), Humulus lupulus (Hopfen), Lilium martagon (Türkenbund), Lychnis flos-cuculi (Kuckucks-Lichtnelke), Padus avium (Traubenkirsche), Populus spec. (Pappeln), Quercus robur (Stieleiche), Ranunculus aconitifolius (Eisenhutblättriger Hahnenfuß), Sanguisorba officinalis (Großer Wiesenknopf), Scirpus sylvaticus (Wald-Simse), Sorbus aria (Mehlbeere), Symphytum tuberosum (Knoten-Beinwell), Symphytum officinale (Gewöhnlicher Beinwell), Tilia platyphylos (Sommer-Linde), Ulmus glabra (Berg-Ulme), Valeriana officinalis (Echter Baldrian), Viburnum opulus (Schneeball)


Kunstgeschichte

Eine außergewöhnliche Landschaft

Wir wandern heute entlang der ältesten Straße dieser Landschaft. Der Gletscher hatte dem Fluss seinen Lauf gebahnt. Der Fluss wies den Menschen den Weg, auf seinen Wassern wie an den Ufern. Das Inntal ist Teil der Vogelfluglinie, die vom Nordmeer bis Afrika führt. Früheste Handelsbeziehungen reichen bis in die Altsteinzeit zurück. Feuersteinspitzen gelangten aus den Südalpen durch das Flusstal ins Alpenvorland. Das war vor 11000 und mehr Jahren.

Marinus und Anian sind die Zeitzeugen beginnenden Christentums. Die beiden iroschottischen Mönche kamen im 9. Jahrhundert von Rom zurück auf den Irschenberg, wo sie den Hintersassen in den Wäldern die neue Lehre predigten. Im 12. Jahrhundert ist die Wallfahrt auf dem Petersberg bekannt. Damals hatten die Falkensteiner Grafen schon ihre Untertanen als Kolonisten zum Kahlenberg und ins Wiener Becken entsandt.

Zur finstersten Zeit Europas erscheinen, noch oder nach dem Dreißigjährigen Krieg geboren, die Gebrüder Dientzenhofer. Gundelsberg, Ulpoint, St. Margarethen sind die Geburtsorte, von hier zogen sie aus, um mit Kirchen und repräsentativen Bauten in Böhmen, Franken und Schwaben Hauptwerke des bayerischen Spätbarocks zu schaffen. Die Hausstätter (1675 - 1770) waren Zeitgenossen. Sie blieben im Land. Hans Mayr schuf von Happing bis Miesbach 17 Kirchen. An Abraham und Philipp Millauer erinnert die barocke Kirchenstraße. Sie führt von Aibling, Au und Flintsbach hinein nach Tirol. Herausragend St. Johann, die Mutterkirche des Bezirks Kitzbühel und in Ebbs der Inntaler Dom. Als Bildhauer erscheint Joseph Götsch in Aibling, Wilparting und Rott am Inn.

Mitte des 19. Jahrhunderts entdecken die Landschaftsmaler das Inntal als Motiv. Bevorzugte Malplätze sind Brannenburg, wo Wilhelm Busch zur Künstlerkolonie zählt, sowie Aising und Pang, wo die Freunde Christian Maly und Anton Braith bäuerliches Leben inspiriert hat.

1883 vollendet Wilhelm Leibl in Berbling das Bild "Drei Frauen im Gebet" nach vierjähriger Arbeit. Der Maler, der den Rummel um die Kunst in München floh, in Aibling, Berbling und Kutterling das einfache Leben fand, schuf mit dem Kirchenbild ein Hauptwerk des künstlerischen Realismus.

Die Reihe der Künstler reißt im 20. Jahrhundert nicht ab. Alexey von Jawlensky malt 1906 im Inntal. Er gehörte zum Kreis von Karl Caspar und Maria Caspar Filser, die als noch klassische Moderne die Kunstlandschaft des Inntals schufen. Zur kulturellen Vielfalt gehören Literaten und Chronisten, Volkssänger und Chöre und der zeitgenössische Kreis der Maler. Da ist noch die Erinnerung an Sepp Hilz, Hermann Urban, Brynolf Wennerberg und Leo von Welden. Es sind vier Maler, jeder zeichnete sich durch einen nicht verwechselbaren Stil aus. Sie zogen nach dem zweiten Weltkrieg gemeinsam zu ihren Malplätzen an Mangfall und Glonn. Mit diesem Quartett nimmt die lokale Kunstgeschichte unserer Tage ihren Anfang.

In welchem Ansehen das Inntal zur Zeit König Ludwig I. bei Münchner Künstlern stand, hat Georg von Dillis, Gründer der Alten Pinakothek, in einem Brief überliefert: "Majestät! Bei diesen schönen Frühlingstagen – wie verlangt meine Künstlerseele hin in das schöne Innthal, mit meiner Reißfeder, der göttlich, jetzt so schön glänzenden Natur ihre Reize abzulocken. Ewig schade, dass ich nicht schon jetzt mich von diesem Steinhaufen losmachen kann, wo die Insekten sich nicht nur im Dunkeln herumtreiben..."

Auf der Hühnerjagd


Berbling

Neben Bad Aibling, Mietraching und Willing hat auch Berbling im Jahr 2004 sein großes Jubiläum und kann 1200 Jahre bis zur ersten urkundlichen Erwähnung zurückblicken. Natürlich ist Berbling bei den großen Feierlichkeiten von Bad Aibling im Jubiläumsjahr vertreten, dennoch lässt es sich das Dorf am Ausläufer des Irschenbergs nicht nehmen, sich auch selbst noch ein bisschen "vor Ort" zu feiern. Im Sommer 2004 sind einige schöne und interessante Veranstaltungen geplant.

Weitsichtig zeigte sich die Berblinger Dorfgemeinschaft vor einigen Jahren, als sie beschloss, im Kernbereich des Dorfes keine weitere Bebauung mehr zuzulassen bis auf die Schließung von 2 - 3 Baulücken. Dies wurde durch einen sogenannten "negativen Bebauungsplan" rechtlich verankert. Die kommenden Generationen von Berbling, aber auch der gesamten Stadt Bad Aibling, werden in einigen Jahrzehnten ihren Eltern für diesen vorausdenkenden Beschluss sehr dankbar sein.

Eine neue Aufgabe stellt sich seit vergangenem Jahr den Berblingern: Im Rahmen der Aktion "Unser Dorf soll schöner werden – Unser Dorf hat Zukunft" wurde auf Anhieb die zweite Runde erreicht und jetzt heißt es, die gemeinsam angedachten Projekte und Einzelmaßnahmen Stück für Stück in die Tat umsetzen. Die Berblinger scheinen dies Aufgabe mit großem Elan und noch größerem Engagement anzugehen. Die Stadt Bad Aibling möchte bei den Bemühungen in Berbling nicht hinten anstehen und beginnt in einigen Wochen mit der kompletten Sanierung des alten Schulhauses gegenüber der Kirche. Erhalten und Sanieren statt Abreißen war hierbei trotz der immensen Kosten der Leitgedanke.

An der Hangkante Richtung Dettendorf kommen wir nach Haslach und erreichen dort zuerst den alten Pfarrhof der Pfarrei Berbling. Im Zuge der Säkularisation kam der Besitz von der Diözese Freising an die Pfarrei, neben dem Hof selbst waren dies 100 Tagwerk (ca. 34 ha) Grund in Form von landwirtschaftlichen Flächen und Wald. Der Hof war die ökonomische Grundlage der Pfarrei und wurde vom Pfarrer selbst bis nach 1945 bewirtschaftet. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden Teile der Flächen auch verpachtet.

Im Jahre 1860 ist der Hof abgebrannt, dabei wurden wohl leider viele alte Berblinger Dokumente ein Raub der Flammen. Der Wiederaufbau entspricht dem heutigen Zustand. Vor etwa 40 Jahren wurde der Hof inklusive 3 Tagwerk (ca. 1 ha) verkauft und vom neuen Besitzer in großen Teilen renoviert. (Angaben zum Pfarrhof größtenteils von Kaplan Josef Steinberger, Berbling, dem wir hier danken möchten).


Führung: Anita Fuchs, Frank Kienzle, Max Leuprecht, Hans Heyn, Christian Poitsch