Erste Stellungnahme zur Umweltverträglichkeitsstudie Nordtangente Bad Aibling

Erste Stellungnahme zur Umweltverträglichkeitsstudie Nordtangente Bad Aibling


Die Stellungnahme bezieht sich auf eine verkürzte Version der Umweltverträglichkeitsstudie, wie sie dem Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr bereits im November 2004 nichtöffentlich vorgestellt wurde.
 

Die vorliegende Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) ist wenig geeignet, die Auswirkungen der drei Nordtangententrassen auf Mensch und Natur in Aibling zu beschreiben und abzuschätzen.

Die Studie erscheint sowohl in Bezug auf die herangezogenen Bewertungskriterien, als auch in Bezug auf die Gewichtungen und die Bewertungen der Schutzgüter ziemlich willkürlich und deshalb in weiten Teilen nicht nachvollziehbar.

Wesentlicher Bestandteil der Wirkungs- und Risikoanalyse in einer UVS sollte der Variantenvergleich unter Einschluss der sogenannten Nullvariante sein, d.h. dem Verzicht auf das Vorhaben. Die Nullvariante wurde in der UVS nicht untersucht.

Erwartungen im Hinblick auf die fundierte und objektive Bearbeitung naturschutzfachlicher und umweltrelevanter Inhalte werden nicht erfüllt.

Auswirkungen auf Menschen und Landschaft

Jede der drei Trassen quert, tangiert oder durchschneidet die Glonnaue, die Rote Filze/Birkenhölzl und die Drumlinhügel bei Heimatsberg.
Dies sind wesentliche Elemente der Landschaft um Bad Aibling, die unsere Stadt charakterisiert und prägt, liebenswert und attraktiv macht. Als Naherholungsgebiete für Aiblinger und die Gäste in der Stadt und als Lebensraum für Pflanzen und Tiere ist die umgebende Landschaft für uns von größtem Wert. Deswegen führen so enorme Störungen wie eine durchquerende und trennende neue Straße, gleich auf welcher Trasse, auch zu unserer entschiedenen und grundsätzlichen Ablehnung.
Schon gar nicht können wir der Studie folgen, wenn Beeinträchtigungen der Bevölkerung, von Tieren und Pflanzen für eine Trasse im Ganzen als sehr "gering" oder nur "mittel" beurteilt werden. Etwa die Beeinträchtigung der Bewohner am Weiher oder von Mietraching östlicher Ortsrand/Westerfeldweg oder am Thürhamer Ortsrand durch die Südtrasse als gering zu bezeichnen, ist abwegig.

Je näher eine Trasse der Siedlung kommt, desto größer ist die Beeinträchtigung der Anwohner. Es ist also nicht nachvollziehbar, dass besonders die Südtrasse und auch die Mitteltrasse geringere Störungen als die Nordtrasse verursachen würden. Lärmkennziffern, in die die Anzahl der betroffenen Anwohner einfließen würden, wurden nicht berechnet!

Wie soll die Zusatzbelastung der Staatsstraße 2089 durch eine Nordtrasse gegenüber einem Straßenneubau der Mittel- oder Südtrasse bewertet werden? Die Einmündung der Nordtrasse nördlich von Mietraching würde eine Zusatzbelastung von 6800 Fahrzeugen/Tag verursachen, bei derzeit 6900 bis 7600 Fahrzeugen/Tag. Die Südtrasse und auch die Mitteltrasse würden zu einer kompletten Neubelastung durch die prognostizierten 6800 Fahrzeuge/Tag führen im Osten und Süden von Mietraching bzw. bei Thürham.

Vollkommen unzureichend ist die Störung der siedlungsnahen Erholungsnutzung, durch die Südtrasse, aber auch die Mitteltrasse, in die Beurteilung eingeflossen. Für Kinder sind die nahen Wiesen, Wälder und Gewässer notwendiger Freiraum zum Spielen, Bewegen und Naturerleben. Spaziergänger/Radler/Jogger/Walker/Skater schwärmen am Feierabend oder schon am Morgen in die unmittelbare Umgebung aus. Über diese Freizeitnutzung wird wesentlich Lebensqualität definiert und oft auch die Wohnungswahl getroffen. Wellness und Gesundheitsvorsorge finden insofern oft im siedlungsnächsten Erholungsgebiet statt. Bedürfnissen dieser Art muss sich in ganz besonderem Maße eine Gesundheitsstadt mit größter Aufmerksamkeit zuwenden.

Bezogen auf Nutzungshäufigkeit der Landschaft durch die Bevölkerung kann also die Südtrasse unmöglich schlechter abschneiden als die Nordtrasse.

Zum Landschaftsbild bleibt noch zu bemerken, dass Talquerungen von Straßen grundsätzlich besonders nachteilig sind, etwa im Vergleich zu Trassen, die dem natürlichen Längsverlauf eines Tales seitlich folgen. Die Zerschneidung der sonst hoch geschätzten, weil für das Gesicht der Stadt so bedeutenden Hangkante ist ein besonders nachteiliges Merkmal der Südtrasse, das zu gering in die Negativbewertung eingeflossen ist.

Die hervorragende Verbindung des Ortsteils Mietraching mit der Stadt durch den Fuß- und Radweg an der Ebersberger Straße, den Niederfeldweg und Hochwindweg/Auweg südlich und nördlich der Glonn würden durch eine neue Straße extrem entwertet. Der attraktive Hochwindweg würde von der favorisierten Südtrasse komplett geschluckt.

Auswirkungen auf Siedlungsstrukturen und Stadtentwicklung

Die Trassenführung zwischen der Straße Am Weiher und dem Westerfeldweg würde die Siedlungsgrenzen zwischen Mietraching und Aibling endgültig verwischen. Die letzte Lücke zwischen Mietraching und Aibling würde mit dem Straßenneubau geschlossen, klare Ortsränder würden unkenntlich werden - ein deutlicher Widerspruch auch zum STEP.

Wichtiges Ziel im STEP ist die Erhaltung des grünen Landschaftsbogens um Aibling, der sich vom Triftbach im Westen über den Norden Aiblings bis nach Harthausen erstreckt. Die Mitteltrasse und die Südtrasse würden diesen grünen Gürtel um Aibling auf langer Strecke zerteilen.

Die kompakte Siedlungsstruktur Aiblings hängt von der Erhaltung dieses Landschaftsbogens ab. Aibling unterscheidet sich darin wohltuend von den sonst vielerorts ineinander fließenden Siedlungen im Mangfalltal. Das Gewerbegebiet "Markfeld" wurde, um diesen Grünzug nicht anzutasten, westlich der Staatsstraße geplant.

Die städtebaulichen Entwicklungsziele für die ehemalige US-Kaserne mit Kur- und Tourismusschwerpunkten würden durch eine Zerschneidung des verbindenden Landschaftsbogens zum Kurgebiet II Harthausen konterkariert, ebenso die Wegverbindungen in die Stadt zum Kurgebiet I. Auch für ein Sportzentrum und diverse andere denkbare Nutzungen würden die ruhigen umweltfreundlichen Wegverbindungen im Bereich Westpoint, Graspointweg, Grassinger Straße unmöglich gemacht. Eine freundliche Freizeit, Kur- und Tourismusumgebung und eine entsprechende Atmosphäre, im wahrsten Sinne des Wortes, könnte in einer Auto(MIV1)- und Straßenlandschaft nicht mehr entstehen.

Die Verträglichkeit der Trassen mit Stadtentwicklungszielen und Siedlungsstrukturen wurde insofern bei der UVS ebenfalls nicht berücksichtigt.

Besonders in einem so dicht besiedelten Raum wie dem unseren muss aber eine umfassende und sensible Prüfung von flächenverbrauchenden Vorhaben gefordert werden.

Auswirkungen auf die Wimperfledermauskolonie Maxlrain, FFH-Gebiet

Bei der Menge und teils mehrspurigen Breite der Straßen in unserem Raum sind die negativen Trennwirkungen und Unfallgefahren für viele Tiergruppen von großer Bedeutung. Dabei wird dem Verlust an Insekten wenig Beachtung geschenkt im Vergleich zu Igeln oder jagdbarem Wild. Dennoch haben die Massen zerquetschter Insekten auf Windschutzscheiben und Karosserien sicherlich Auswirkungen auf Populationsgrößen und ganze Nahrungsketten und Lebensgemeinschaften – insbesondere, wenn Populationen schon durch die Artenverarmung und das geringe Blütenangebot unserer intensiv genutzten Landschaft geschwächt sind. So weisen auch Imker auf das mangelhafte Nahrungsangebot für Bienen über den Gesamtzeitraum einer Saison hin – mit entsprechenden Nachteilen für die Bestäubung von Nutzpflanzen.

Fledermäuse sind vollkommen unauffällige Verkehrsopfer, die, selbst wenn man sie suchte, kaum gefunden werden könnten. Die Erwartung bei der Straßenmeisterei Auskunft über Fledermausopfer erhalten zu können, lässt vermuten, dass sich die Autoren noch nie ernsthaft mit Fledermäusen beschäftigt haben. Die in der Studie angegebenen Verkehrsverluste sind sehr allgemeine Werte aus der Literatur, die nicht ohne weiteres auf Wimperfledermäuse angewendet werden können. Da die Art über freiem Gelände sehr tief fliegt, sind größere Verluste nicht auszuschließen, falls eine der Trassen einen Flugweg kreuzen sollte. Untersuchungen über die genauen Flugwege und Jagdgebiete wurden aber nicht durchgeführt. Im Gelände sind Wimperfledermäuse schwer nachweisbar. Die Ortungsrufe sind sehr leise und ohne aufwendige Lautanalyse, die nicht gemacht wurde, nicht zu erkennen. Seriöse Aussagen über die Raumnutzung können nur durch Telemetrieuntersuchungen (Peilsender) gemacht werden.

Bewertungen der Studie, wie erheblich die Beeinträchtigungen der Kolonie sein könnten, sind somit nichts weiter als Vermutungen.

Grundsätzlich erscheinen Birkenhölzl und Glonnaue als Jagdgebiete für Wimperfledermäuse gut geeignet. Demzufolge werden Flugwege eine neue Straße mit großer Wahrscheinlichkeit kreuzen.

Da die Vermehrungsrate von Wimperfledermäusen gering ist (1 adultes Weibchen / 0,68 Jungtiere, Durchschnittswert im Zeitraum 1996 - 2002) sind die Populationen empfindlich gegen Beeinträchtigungen. In Abhängigkeit von der Witterung, besonders während der Zeit der Jungenaufzucht, schwanken die Populationsgrößen ohnehin stark. Die oben angegebene durchschnittliche Vermehrungsrate kann in schlechten Jahren auch weit unterschritten werden.

Die Maxlrainer Kolonie ist die zweitgrößte in Bayern! Die Art gehört in Bayern zu den seltensten Fledermausarten und wird in den Roten Listen in der Kategorie 1 – vom Aussterben bedroht – geführt.

Die Lebensraumqualität der Art, in deren Aktionsradius alle drei Trassen liegen, die zusätzlich durch das Natura 2000 Statut der europäischen Union "Fauna-Flora-Habitat" geschützt werden soll, darf nicht verschlechtert werden.

Landschaftsschutzgebiet "Rote Filze" und Glonnaue

Im Jahr 2000 wurde von der Umweltgruppe Bad Aibling u.a. das Gebiet "Rote Filze und Glonnauen" im Rahmen des Dialogverfahrens Natura 2000 als Schutzgebiet nach der Fauna-Flora-Habitat Richtlinie (FFH-RL) gemeldet. Von den von uns gemeldeten Gebieten wurde die "Thanner Filze" in die bayerische FFH-Liste aufgenommen.

Für die Schutzwürdigkeit der Roten Filze und der Glonnaue sprechen sowohl natürliche Lebensräume nach FFH-RL

3260

Flüsse der planaren bis montanen Stufe mit Vegetation der Gesellschaft des Flutenden Hahnenfußes (Ranunculion fluitantis)

3150

Natürliche eutrophe Seen mit einer Vegetation des Magnopotamions (Laichkrautgesellschaften) oder Hydrocharitions (Schweber-Gesellschaften)

6410

Pfeifengraswiesen auf kalkreichem Boden, torfigen und tonig-schluffigen Böden

6430

Feuchte Hochstaudenfluren

7120

Noch renaturierungsfähige degradierte Hochmoore

7150

Torfmoor-Schlenken

91F0

Hartholzauwälder mit Quercus robur (Stieleiche)

wie auch prioritäre Lebensraumtypen

7210

Kalkreiche Sümpfe mit Cladium mariscus (Schneide-Binse) und Arten des Caricion davallianae (Kleinseggenrieder)

91D0

Moorwälder

91E0

Auenwälder (Alno-Padion) mit Alnus glutinosa (Erle) und Fraxinus excelsior (Esche)

Aus der bayerischen Referenzliste Arten der Vogelschutz-Richtlinie sind mit Sicherheit noch folgende Arten im Gebiet der Glonnaue und Roten Filze beheimatet:

A027

Egretta alba

Silberreiher

Zugvogel

A229

Alcedo atthis

Eisvogel

Brutvogel

A236

Dryocopus martius

Schwarzspecht

Brutvogel

Weitere Arten des Anhang I Vogelschutzrichtlinie können nach den vorhandenen Lebensraumstrukturen durchaus vorkommen und sollten überprüft werden:

Aegolius funereus (Raufußkauz)
Glaucidium passerinum (Sperlingskauz)
Milvus migra (Schwarzmilan)
Milvus milvus (Rotmilan)

Regional und überregional bedeutsame Artvorkommen und nach den "Roten Listen" geschützte Arten wurden nicht behandelt - zu nennen etwa:

Biber (Anhang II, IV der FFH-Richtlinie)
Langblättriger Ehrenpreis (Veronica longifolia)
Drachenwurz (Calla palustris).

Selbst wenn Standorte von besonderen Pflanzengesellschaften und Pflanzenarten durch Trassen nicht direkt betroffen sind, leidet die Gesamtqualität eines Gebietes und der Naturerlebniswert für Erholungsuchende durch die Auswirkungen einer zerschneidenden Straße.

Fazit

Die prognostizierte Entlastung der Innenstadt durch die Nordtangente von 10% - 15% ist es nicht wert Wohngebiete mit Verkehr neu zu belasten und von Naherholungsgebieten abzuschneiden, Fuß- und Radwege zu entwerten, Siedlungsstrukturen zu beschädigen sowie Natur und Landschaft erheblich zu beeinträchtigen.
Statt Natur und Landschaft weiter zu zerstören, sollten wir beginnen, die durchaus vorhandenen beklagenswerten Schäden endlich zu beheben. Der neue und hervorragende Gewässerentwicklungsplan Glonn des Wasserwirtschaftsamtes Rosenheim etwa zeigt auf, wie die Schönheit und die ökologische Funktion der Fließgewässer, die Aibling so sehr positiv prägen, noch verbessert werden kann.

Stadtentwicklung sollte auch bedeuten, unsere Naturschätze aktiv zu schützen, zu pflegen, hervorzuheben und für Menschen erlebbar zu machen. Dies geschieht nicht! Chancen für die Attraktivität Bad Aiblings werden nicht wahrgenommen.

Nach unserer Einschätzung wird der Bau einer Nordtangente, gleich auf welcher Trasse, erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben. Wir sind deshalb der Überzeugung, dass ein Planungsverfahren nach dieser Vorprüfung nicht eingeleitet werden sollte.

Die Auseinandersetzung mit der vorliegenden UVS hat uns in dieser Überzeugung bestärkt.

Eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach UVPG ist nach unserer Auffassung erforderlich, falls sich der Stadtrat nicht zur Einstellung der Planung Nordtangente entschließen kann.


Anita Fuchs (Dipl. Biologin)
Stadträtin, Grüne Offene Liste,
Bund Naturschutz Ortsgruppe Bad Aibling
Januar 2005

1 MIV: Motorisierter Individualverkehr